Abendzeitung: Wenn der Kurfürst blau war!

Mehr zum Orinalbeitrag von Adrian Prechtl. Der Originalbeitrag steht im Internet nicht mehr zugänglich zur Verfügung, der Verein gibt den Originalbeitrag hier textlich wieder. Vielen Dank an den Autor Adrian Prechtl.

AZ: Nun haben Sie sich dem bayerischen Barock zugewandt und veranstalten heute ein „Churbayerisches Freudenfest“. Ist da barocker Kostümzwang wie der Trachten-Gruppenzwang auf der Wiesn?

Dr. Marcus Junkelmann: Überhaupt nicht. Es soll in Schloss Schleißheim kein Fasching werden. Ich stehe dafür, dass es historisch korrekt zugeht. Alle Mitwirkenden sind perfekt nach Originalvorlagen der Max-Emanuel-Zeit um 1700 angezogen.

AZ: Aber das Pudann blikum sind ja normale Besucher, die sich für Historie und Bayern interessieren. Die Wiesn ist ja auch ein Freudenfest.

Ja, schon ursprünglich als Hochzeitsfeierlichkeit vom Kronprinz Ludwig mit seiner Frau Therese von Sachsen Hildburghausen. Aber mein Churbayerisches Freudenfest spielt gut hundert Jahre vorher. Ein Vorbild sind die Tauffeierlichkeiten für Max Emanuel, und die sind gut dokumentiert: mit damaligen Programmheft, Libretti und zeitgenössischen Abbildungen. Im Mittelpunkt steht die Turnierkantate von 1718 vom Hofkomponisten Pietro Torri zum freudigen Anlass, dass zwei Söhne von Max Emanuel lebendig aus den Türkenkriegen zurückgekehrt sind.

AZ: Solche Hoffeste waren aber unter Ausschluss des Volkes – im Gegensatz zum Oktoberfest.

Aber wir lassen diesen Samstag „das Volk“ins Schloss Schleißheim rein! Außerdem gab es auch Faschingsfeste, bei denen die Wittelsbacher Geld unterm Volk verteilt haben. Max Emanuel ist bei seinen Jagden in Wirtshäuser eingekehrt. Er war relativ volksnah.

AZ: Wie förmlich darf man sich den Barock vorstellen? War man unten durch, wenn man die falsche Farbe trug?

Bei den formalen Festen wäre man so gar nicht reingekommen, wenn man nicht korrekt gekleidet war. Es gab chinesische, türkische, antike Feste. Beim venezianischen Karneval war man lässiger und es gab ja auch Wirtshausfeste, wo man folkloristisch sein eigenes Volk gespielt hat.

AZ: Das kommt doch dem Oktoberfest wieder näher mit den vielen falschen Trachten.

Aber das ist ja heute oft Billigware. Und was machen Schleißheim? Ein Freudenfest, wo sich Comedia dell’arte, Tanz, Musik, Essen und Reiterspiele, Feuerwerk und Goldenfahrten zu einem Gesamtkonzept mischen.

AZ: Waren die barocken Feste also doch ganz anders als das erste Oktoberfest von 1810 ein Jahrhundert später?

Mit geschmückten Wagen, Feuerwerke, Umzügen, Pferderennen und Weinbrunnen, ist da doch auch eine gewisse Ähnlichkeit. Wenn man also den Bogen über 300 Jahre zieht von Ihrem „Churbayerischen Freundenfest“, über das Oktoberfest vor 200 Jahren bis zur Wiesn heute: Was fällt auf? Zwei Dinge: Zuerst natürlich, dass die ganzen Fahrgeschäfte eine neuere Errungenschaft sind. Dann aber, dass der Barock besonders gut feiern konnte. Überhaupt finde ich, dass der Barock unserer Zeit näher ist als das doch etwas bürgerlich zugeknöpfte 19. Jahrhundert. Aber bei allen Unterschieden: Das Feiern mit Trinken und Schauwerten bleibt im Grundsatz immer gleich.

AZ: Sie machen vieles auf eigen Rechnung.

Ja, schon meine experimentelle, römische Alpenüberquerung mit meinen Studenten in nach Originalen nachgebauten Rüstungen und mit Verpflegungsgepäck für Legionäre hat mich meine Eigentumswohnung gekostet. Mit dem „Churbayerischen Freudenfest“ heute hoffe ich auf plus/minus Null.
Wenn ich eine Idee habe, an die ich glaube, muss ich sie durchziehen.

AZ: Das ist Enthusiasmus mit Risikobereitschaft.

In Carnuntum bei Wien haben wir jetzt gerade eine Gladiatorenschule rekonstruiert. Aber meine zweite Leidenschaft ist jetzt der Barock.

AZ: Und zum heutigen Fest kommen Teilnehmer bis aus Sachsen.

Schleißheim ist ja wunderbar geeignet, weil es als barocke Anlage völlig intakt und gut zu erreichen ist. Viele Karten sind schon verkauft. Aber es stimmt, ich kann im Moment schlechter schlafen. Aber heute ist das Oktoberfest sowieso überfüllt, da können die Leute gut zu uns kommen.

Adrian Prechtel

Author: Eschbach

Neben dem Beruf als Unternehmensberater und Unternehmer, widme ich mich viel der Fotografie und leite daraus eigene Buchprojekte in meinem DELTA IMAGE Eigenverlag ab. Die Kommunikation mit der Öffentlichkeit über Webseiten, Beiträge, Buchprojekte und Vorträge erweitert das berufliche Tätigkeitsfeld in einer spannenden Art und Weise. Über Fotografische Projekte bin ich an Dr. Marcus Junkelmann gestoßen und seitdem unterstütze ich Ihn bei vielen Buchprojekten mit meiner Fotografie. Ich bin Jahrgang 1965.